In meinen Augen sollten wir Menschen aktuell nicht nach starken Führungspersönlichkeiten (egal auf welcher „Seite“ oder „Richtung“) schielen, sondern mehr in den ehrlichen und offenen Austausch miteinander gehen:
„Augsburg redet miteinander“

In mir ist das Bild, dass im Grunde seines Herzen jeder Mensch weiß, was er will und was wirklich das Seine ist. Um das zu entdecken, braucht es – mein Fühlen und Sehnen – Raum zum Sein. Ich träume von einer lichtvollen organischen Kirche, wo Menschen sich einander begegnen und einander zuhören.

mein Traum einer organischen Kirche:
Mit dem „Überbau“ und dem „Gottesbild“ (was wir Christen uns ja eher nicht machen sollen) der ev. Kirche habe ich so meine Schwierigkeiten. Meine „Gottesdienste“ erlebe ich allein in der Natur.
Was ich in meiner Kirchengemeinde finde, ist Kontakt zu lebendigen Menschen und viele gute Gespräche. Dafür bin ich dankbar und empfinde Zugehörigkeit.

Für mich ist Kirche ein Raum, wo Menschen sich begegnen und einander zuhören.
Wo zwei oder drei in meinem Namen zusammen kommen, da bin ich mitten unter ihnen“ – dieser Kirchenvers bedeutet für mich, dass Menschen sich friedlich und respektvoll (GEIST-voll) begegnen, sich miteinander austauschen und einander zuhören.
Das war zu der Zeit um Christi Geburt alles andere als selbstverständlich, es war eine politisch brisante Zeit, in der verschiedene Vorstellungen von Politik (Gemeinwohl-Gestaltung) teils gewalttätig auf einander prallten.
Da ist also vielleicht niemand (auch kein Gott?) dabei, wenn Menschen „zusammen kommen“, sondern ich denke/fühle, diese Menschen finden in sich den Raum, einander im GEISTE frei zu begegnen.

Ein Raum, wo Menschen sich tief begegnen und einander wirklich zuhören, braucht Sicherheit.
Es braucht Sicherheit, dass Menschen sich wirklich zeigen können, wie sie sind und sagen können, was sie denken und auch zuhören können, was ihr Gegenüber denkt, das ist meine Überzeugung.
Es geht dabei nicht um eine Diskussion oder ein Streitgespräch, wer Recht hat. Es geht um die Neugier, hmh, ich möchte Dich verstehen, ich möchte nachvollziehen können, wie Du Dir Deine Meinung bildest. Vielleicht teile ich Deine Meinung nicht oder sogar gar nicht, aber ich möchte Dir als Mensch begegnen und es interessiert mich, wie Du zu Deinen Überzeugungen gekommen bist.

Für diese Haltung könnte Kirche Raum schaffen, Angebote machen, einladen. So etwas findet aktuell in meinen Augen eher informell statt oder viel zu selten als Einladung zum „Kirchenkaffee“ (in Verbindung mit Gottesdienst).
Ich bin ein Freund von Impulsen, die Raum schaffen für tiefen Austausch und Begegnung.

Letztendlich geht es um Sicherheit – hier ist ein Raum, wo Menschen sich respektvoll und auf Augenhöhe begegnen können. Der Pfarrer könnte eine neue Rolle bekommen: er ist auch ein Mensch, der gar nicht so viel mehr weiß als andere und selbst viele spannende Fragen hat – vor allem jedoch sorgt er für die Sicherheit!
Der Pfarrer wird zum „Sicherheitsbeauftragten“ für Respekt. Er lädt ein und hält den Raum. Dies ermöglicht, dass Menschen sich öffnen und einander zuhören.

In diesem sicheren Raum können die heute wichtigen Fragen Ergebnis offen verhandelt werden, ohne dass weitere Verletzungen in der Auseinandersetzung durch Ausgrenzung oder Abwertung entstehen.

  • wie wollen wir als Menschen und als Menschheit hin?
  • Was macht „Sinn“?
  • wer bin ich?
  • wie wollen wir miteinander leben?

Diese Fragen werden aktuell nicht nur sehr konträr beantwortet, sie machen in meinen Augen vielen Menschen sogar Angst. Ich? Was sollte ich wollen? Mich fragt doch eh keiner! „Die“ machen doch eh, was sie wollen… Ich schaue zu, dass ich überlebe!
Kirche könnte einen Raum schaffen, in dem Menschen sich wieder gehört fühlen, sich selbst als wertvoll im Dialog erleben und daraus entsteht sowohl Selbsterkenntnis als auch Gemeinwohl-Gestaltung.

Die organische Verbindung von Selbsterkenntnis und Selbstheilung des Individuums gleichzeitig mit Gemeinwohl-Gestaltung und Politik – das könnte zu einem neuen organischen Miteinander zuerst in der Kirche und dann in der Welt beitragen!
Ich gebe zu, das ist eine Utopie.
Doch bitte: „das ist ja utopisch“ sollte eben nicht gleichgesetzt werden mit: „das ist ja unmöglich“.
„Wenn einer allein träumt, bleibt es ein Traum. Träumen wir aber alle gemeinsam, wird es Wirklichkeit“ (Dom Helder Camara)

Heilung des Einzelnen und Gestaltung des Miteinanders

sind für mich zwei Seiten derselben Medaille – könnte eine organische Kirche hierfür sichere Räume schaffen?

Noch ein Gedanke, den ich teilen möchte:

Irgendwo im Internet las ich mal einen Artikel, der behauptete folgendes:
Die „wahre“ Übersetzung eines wichtigen Zitats aus der Bibel lautet:
«macht Euch der Erde untertan»
und nicht
«macht Euch die Erde untertan»

«Sich die Erde untertan zu machen»
passt als Legitimation natürlich besser in die heutige Zeit als
«sich der Erde untertan» zu machen.

Im hebräischen Urtext ergeht der Auftrag an die Menschen, die Welt zu betreuen, nicht zu unterjochen, weise und umsichtig zu verwalten und zu erhalten.
In der Verdeutschung geht das Klangpaar verloren, dass Adam als „Erdling“ mit „ADAMA“, der Erde als seinen Mutterboden unzertrennlich verbindet.
Sie ist und bleibt der Ast, auf dem wir sitzen, dass Feld, was uns nährt.“

источник – Quelle: https://quotenqueen.wordpress.com/2011/04/03/ist-die-bibel-richtig-ubersetzt-teil-2/

Die Wissenschaft hat sich mit dem hebräischen Text in den letzten Jahren offenbar mehr Mühe gegeben.
So schreibt der Theologe Matthias Schlicht: „Die hebräische Exegese findet erst in den letzten Jahren angemessenere Übersetzungen.
Das hebräische Verb kabasch (bisher übersetzt als ‚untertan machen‘) hat auch die Bedeutung: ‚als Kulturland in Besitz nehmen‘, ‚dienstbar / urbar machen‘, wie Vergleiche mit Verbübersetzungen in anderen biblischen Büchern (Num 32 EU und Jos 18 EU) zeigen.
Das Verb radah (bisher übersetzt als ‚königlich bzw. herrschaftlich auftreten‘) wird in Mari-Texten für den Umgang eines Hirten mit seiner Kleinviehherde verwendet und müsste die verantwortungsvolle, fürsorgliche Konnotation zum Ausdruck bringen.“

источник – Quelle: https://www.aref.de/kalenderblatt/mehr/dominium-terrae.htm

Den Satz aus dem Alten Testament „Macht euch die Erde untertan“ hatten die Theologen lange falsch interpretiert.
Er kann nach dieser Enzyklika nur so gedeutet werden: Macht euch der Erde untertan – sich wie ein Schrebergärtner oder einfühlsamer Landwirt um die anvertraute Scholle zu kümmern – im Sinne von „hegen und pflegen“…

Papst Franziskus wörtlich: „Wir sind nicht Gott. Die Erde war vor uns da und ist uns gegeben worden… die Harmonie zwischen dem Schöpfer, der Menschheit und der Schöpfung wurde zerstört durch unsere Anmaßung, den Platz Gottes einzunehmen. Wir sind begrenzte Geschöpfe.“

источник – Quelle: http://www.sonnenseite.com/de/franz-alt/kommentare-interviews/papst-franziskus-macht-euch-der-erde-untertan.html

Das bringt mich auf den Gedanken von Kultur und Natur. Wir haben uns als Menschheit über die Natur erhoben und Kultur entwickelt. Das ist grandios.
Wir sind der Natur weit weniger ausgeliefert als noch vor 100.000 Jahren. Vielleicht jedoch haben wir es ein bisschen übertrieben mit unserer Kultur und könnten jetzt die Natur gleichzeitig und auf Augenhöhe mitbedenken und ein neues Gleichgewicht finden?

und das wiederum bringt mich auf das Phänomen mit der Komplexität.
Das ist nämlich ein ziemliches komplexes System, in dem wir leben und dessen Steuerung uns irgendwie aus der Hand zu gleiten scheint. Komplexe Situationen machen leider Lust auf die ganz einfachen Lösungen – den Umgang mit komplexen widersprüchlichen Systemen lernen wir in der Schule nämlich leider nicht…

Der Sinn der Kirche ist in meinen Augen, Menschen dabei zu unterstützen, ihre eigene individuelle Antwort auf das Leben selbst zu finden.
Wo Menschen im offenen Dialog miteinander reden, sich zuhörend begegnen, da findet für mich Kirche statt!